Cloud Computing, Virtualisierung, Web 2.0 Communities und Co. prägen derzeit die Schlagzeilen der IT-Publikationen, Events und Newsletter. Doch was ist dran, am Hype um die IT in oder aus der Wolke und die „neuen“ Ideen zur Leistungserbringung außerhalb des eigenen Perimeters?
Verändertes Verständnis der IT
Mein Kollege und Mentor Tim Cole hat in seinem jüngst veröffentlichten Buch „Unternehmen 2020" einige sehr spannende Thesen zur Weiterentwicklung der IT-Nutzung und der IT selbst skizziert. Einige dieser Ansätze habe ich mit meinen Studenten in der Vorlesung „Informationsmanagement" diskutiert - und die Ergebnisse sind erstaunlich!
Tim als Grand Seigneur der Internet-Publizisten wendet sich - so habe ich als Middle-Ager es empfunden - an die zurückhaltende und skeptische Top-Management-Riege des in Ehren angegrauten deutschen Mittelstandes. Er versucht, die „Das haben wir schon immer so gemacht"-Betonköpfe sanft wach zu rütteln.
Meine - wiederrum mit gutem Altersabstand versehenen - Studenten haben eine noch viel deutlichere Meinung: Sie mokieren fast unisono, dass die strategischen Inhalte einer Vorlesung „Informationsmanagement" eigentlich besser bei den „älteren Herren" aufgehoben wären.
Unsere doch sehr Technologie-affine Jugend (meine älteren Semester mögen mir verzeihen!) beschwert sich indes, dass entweder gar keine Innovation seitens der Geschäftsführung erwünscht ist und Systeme gerne das zehnte Dienstjubiläum erreichen; oder dass man des Innovationswahns à la Cupertino halber allen einen Apple Mac aufzwängt - obwohl keine der Business-Anwendungen darauf läuft.
Veränderung ist also notwendig. Nur sollte sie kanalisiert und zielgerichtet sein, damit nicht etwa Innovationen durchgeboxt werden, die dem Unternehmen nicht dabei helfen strategische Ziele zu erreichen. Schauen wir uns einige der „Buzzwords" aus der Einleitung einmal genauer an, um deren Werthaltigkeit und Nutzen für den Mittelstand zu eruieren!
Dienste in und aus dem Internet
Die Online-Welt des Web 2.0 - oder „Mitmach-Netz" - ist für viele Unternehmer immer noch ein Mysterium. Vielen Mittelständische Unternehmen fehlt immer noch eine anständige Website; und wenn diese nur rudimentäre und zum großen Teil statische Informationen zum Unternehmen abbildet: eine gut gestaltete Webpräsenz gehört zum guten Ton.
Zusätzlichen Umsatz generiert wohl kaum ein Unternehmen, wenn es im Web präsent ist - aber sicherlich hat es einen Einfluss auf die Kaufentscheidung, wenn man sich als Kunde vernünftig über das Unternehmen informieren kann. Auch Handwerker dürfen Websites nicht als „Luxus" ansehen, denn auch der private Kunde schaut gerne nach, welche Aufträge man zur Zufriedenheit gelöst hat - und wie die Ergebnisse aussehen.
Ein gutes Beispiel sind die vielen kleinen Hotels unserer österreichischen Nachbarn: jedes Familien-geführte Hotel zeigt sich von seiner besten Seite und - wer wirklich gut ist - blendet dann auch gleich seine 99-prozentige Weiterempfehlungsrate bei Holidaycheck und die letzten 10 Bewertungen mit ein. Hier wird tatkräftig und gezielt das Angebot des Web 2.0 genutzt ohne sich in Spielereien zu verlieren!
Das Potenzial für Nischenanbieter und Spezialisten ist sogar noch höher, denn der Long-Tail-Effekt - also die zunehmende Individualisierung und Spezialisierung - kann nur dann sinnvoll funktionieren, wenn man als Anbieter seine kleine und weit verstreute Zielgruppe kostengünstig ansprechen kann.
Viele dieser Spezialanbieter leben quasi ausschließlich von der Einbindung der Kunden in ihren Design- und sogar Produktionsprozess: was mit „personalisierten" Computern und Autos anfing, zeigt sich heute im internationalen Erfolg von individuell erstellten Bekleidungsstücken wie man sie etwa bei Tailorstore selbst entwerfen kann.
Die Herausforderung des Unbekannten
Cloud und Virtualisierung gehören zusammen wie Pech und Schwefel. Ohne ordentliche Virtualisierungsumgebung kann kaum ein Service Provider wirklich skalierbare Services anbieten.
Natürlich kann ein kleines oder mittleres Unternehmen Cloud-Dienste nutzen ohne selbst Virtualisierung einzusetzen. Aber die Vorteile eines flexibleren Betriebs, einfacherer Test- und Updateverfahren sowie generell schnellere Reaktion auf das „Unvorhergesehene" machen den Aufwand wett, den eigenen (einzigen?) Vollzeit-Admin auf eine Schulung von VMware, Microsoft und/oder Citrix zu schicken (wenn denn kein Linux eingesetzt wird).
Aus eigener leidvoller Erfahrung habe ich zum Jahreswechsel die komplette Infrastruktur von alten Windows-2003-Servern „auf dem Blech" auf eine komplette „Windows Server 2008 HyperV"-Umgebung umgebaut. Alle produktiven Systeme sind heute virtuelle Maschinen - und die Laborumgebung läuft derzeit gemischt auf zwei Bladeservern, die mit VMware ESXi bzw. HyperV ausgestattet sind. Einzig die Handhabung der USB-Geräte (Dongles) ist manchmal etwas schwierig - aber auch das bekommt der typische Techie (Spieltrieb sei Dank!) schnell umgesetzt. Eine gute Planung und Vorbereitung ist natürlich unabdingbar - aber das versteht sich von selbst, oder?
Auch Extravaganz schafft Probleme
Und dann waren da noch die Obst-Genießer. Natürlich sind die Geräte aus dem Hause des schwarzen Rollkragenpullover-tragenden Technik-Gurus ansehnlich. Gute Leistung bringen sie zudem. Qualitativ gut verarbeitet sind sie auch meistens - und intuitiv zu bedienen auch. Zumindest gilt das für die Applikationen, Tools und Erweiterungen aus dem eigenen Hause.
Aber genau hier liegt das Problem: die wenigsten selbst erstellten oder im vergangenen Jahrzehnt gekauften Softwaresysteme waren darauf ausgelegt, über Apple-Systeme angesteuert und genutzt zu werden. Die allgegenwärtige Marktmacht des Konkurrenten aus Redmond im Bereich der „Büro-Produktivität" (Neudeutsch: Office-Anwendungen) sowie die eher auf einige Branchen zugeschnittenen Apple-Produkte zeigen schnell die Grenzen des Design-Wunderlandes auf.
Solange die zu erfüllenden Aufgaben keine Spezialsoftware benötigen und nur einfache Office-Formate ausgetauscht werden müssen, dürften keine Probleme auftreten. Sobald jedoch auf Internet Explorer, Flash und ActiveX aufbauende Applikationen den Kern der Arbeit abdecken, wird es... sagen wir: unangenehm.
Das ist natürlich nicht die Schuld der Apple-Anhänger (zumindest weitgehend, siehe Flash), aber unschön ist es dennoch, wenn ein Admin nach Jahren der Redmond-Monotonie auf einmal Probleme mit Mac OS beheben muss. Gleiches gilt natürlich, wenn statt XP plötzlich Windows 7 oder eine Linux Distribution auf dem Desktop landen - die Probleme werden ähnlich aussehen und lassen sich auf einen Punkt kondensieren: interne IT-Kompetenz!
Jede Veränderung kann teuer werden
Wenn der Chefetage oder dem neu engagierten Marketingleiter sein Macbook ans Herz gewachsen ist, wird er sich ungern zu Gunsten seiner IT-Mitarbeiter im Büro an ein Windows-System „ketten" lassen. Bei der Anschaffung „außergewöhnlicher" IT-Systeme muss jedoch stets beachtet werden, dass sich massive Auswirkungen jenseits der eigenen (gefühlten?) Produktivitätssteigerung ergeben. Insbesondere bezüglich der verursachten Gesamtkosten (TCO, Total Cost of Ownership), die sich nun mal NICHT nur aus den Anschaffungskosten und Lizenzen für Betriebssystem und Anwendungen berechnen sonder auch Support und Wartung umfassen.
Hakt es bei einem „unbekannten" System, so ist der Aufwand ungleich höher - und ist gar sicherheitstechnisch Sand im Getriebe, wird es schnell sehr teuer, da externer Support eingekauft werden muss. Wer schon einmal weitflächig eine PKI mit Zertifikats-basierter Anmeldung am Betriebssystem UND an Applikationen ausgerollt hat und dann einige hundert Mac Rechner einbinden durfte, weiß wovon hier gesprochen wird.
Man verstehe mich nicht falsch, es soll keinesfalls der Eindruck einer Brandrede „Pro-Monokultur" erweckt werden. Ab einer gewissen Größe ist es fast unumgänglich mehrere ähnliche Systeme parallel zu betreiben, seien es Datenbanken, Betriebssysteme oder Web Application Server. Dennoch ist es wichtig, bei den Kaufentscheidungen für IT (und insbesondere IT-Sicherheit) das interne Know-how in Betracht zu ziehen und soweit als möglich die Komponenten und Produkte zu wählen, die in bereits existierender Umgebung lauffähig sind.
Gutes Sicherheitsmanagement kann also für eher kleinere Unternehmen bedeuten, so wenig wie möglich vom eigenen Standard abzuweichen um die Kompetenz für die existierenden Lösungen hochzuhalten. Derweil erscheint es für größere Unternehmen durchaus sinnvoll, für verschiedene Einsatzbereiche auch unterschiedliche Sicherheitssysteme zu nutzen. Insbesondere wenn die interne Security „nur noch" Governance ausübt und der Betrieb der Lösungen bei Dienstleistern liegt!
Allgemein kann also gesagt werden, dass sowohl KMU als auch Konzerne JA zur Cloud, JA zu Virtualisierung und JA zu einer Öffnung gegenüber sozialen Netzen sagen sollten. Die tatsächliche Nutzung dieser Technologien und deren Governance kann (und sollte!) sich jedoch je nach Branche und Größe durchaus unterscheiden!